Postboten sind cool!

50 50 50 50 50+ Leave a Comment

Heute war anstrengend. Es ist viel zu kalt und viel zu nass. In der Mittagspause (ich mache gerade eine Zertifizierung zum Projekt Management Fachmann) möchte ich schnell jemanden finden um ein Photo zu schießen, denn Abends wird es über das schlechte Klima hinaus auch viel zu dunkel sein. Auch so ist das Licht schon so schlecht, dass ich meinen Blitz mitgenommen habe. Ich bin mir selbst jedoch noch nicht im Klaren, ob ich ihn überhaupt nutzen möchte. Vor einem Möbelgeschäft möchte ich meinen heutigen Ü50er treffen. Dort angekommen bemerke ich, dass ich einen Blitzempfänger nach der letzten Nutzung nicht ausgeschaltet habe. Folglich ist die Batterie leer. °Na toll, dann muss ich den Blitz eben doch auf die Kamera stecken!° (Generell versuche ich das zu vermeiden, da das Licht nicht parallel zur Schussrichtung kommen sollte, sondern in einem Winkel …). Kurzer Test: Blitz leer. Verdammt: Akkus aus dem falschen Ladegerät genommen. Dann halt ohne!

Ein Herr mit melliertem Haar und ähnlich-farbenem Schurris schiebt sich und seinen Wagen aus dem Geschäft. °Der entkommt mir nicht°. Ich beginne das Gespräch. Er ist sehr nett und sehr interessiert. °Yeah alles klar!° Noch schnell das Alter abchecken und losg… „Momende Mo: Fuffzisch bin ich awwer noch kenn!“. „Ups – was? Sorry, öhm…“ (ich war auch schon schlagfertiger). „Ei nä! Das mache die graue Hoar. Awwa die hann isch schon seit fünwezwannsisch Joahr!“. Er ist erst 47! °Buh! Warum musste ich mich bloß auf 50+ beschränken?° „Alles klar, danke und schönen Tag noch!“. Die nächsten fünf, die ich frage, sind leider nicht so nett. Und viel weniger interessiert. Einer sieht aus wie ein weißhaariger Chuck Norris – „Danke, kenn Bock!“. And there goes the Mittagspause.

Die letzten 20 Minuten der Fortbildung schaue ich mit blankem Horror nach draußen und beobachte wie sich dort die düster-mattschig-graue-feindselige Umwelt, langsam aber sicher, zu einer dunkel-matschig-grau und feindseligen Umwelt wandelt und zermartere mein Gehirn, wie ich bloß heute ein Bild hinbekommen soll. Ich überlege mir, dass  Schaufenster bestimmt tolle indirekte Lichtquellen abgeben. Auf dem Weg in die Stadt sehe ich einen älteren Herren mit weißem Bart, Parker an und Kapuze auf. Nach der Shittagspause ist meine „projiziere positive Energie“–Annäherung leider gar nicht mehr so souverän und authentisch wie ich sie von mir sonst so kenne und schätze. Vielleicht merkt er das und ist genauso enttäuscht wie ich. „Liwwer nit!“, meint er nämlich. Ich – mittlerweile buchstäblich begossen, wie der sprichwörtliche Pudel – dackele zum Auto zurück.

Die nächsten zwei Stunden (!) geht es genauso weiter. Nur dass die Herren, oft keine Parker tragen und manchmal sogar Pferdeschwänze! Wie kann man denn dann nicht photographiert werden wollen? O-Töne: „Ich finde das ist wirklich eine herrliche Idee (…) Aber ich habe keine Lust!“. „Nä nö nä.“. „NÄ!“. „___ .“ (Nur Kopfschütteln). „DER JUNGE MANN MÖCHTE EIN PHOTO MACHEN“, ruft eine ältere Dame ihrem Mann mit Schottenmustermütze und Klavierkrawatte ins Ohr (was für ein Motiv!). Er: „Aaaaaah. Danke. Ich brauche keins“. °Das war’s!° Völlig demoralisiert, erschöpft und leicht verzweifelt laufe ich zu meinem liebsten Teecafé Teestübchen: Nur noch ein arabischer Tee kann mich jetzt noch aufmuntern. Ich schmeiße einen Blick in die Gasse nebenan. Ich glaube es nicht: Da steht doch tatsächlich ein Postbote! Meiner Verfassung entsprechend bekomme ich gerade noch ein verwirrtes Lächeln hin, Eloquenz nicht mehr. „Servus! Sie haben nicht zufällig nichts dagegen, dass ich ein Photo von Ihnen schieße?“, frage ich ihn 25% im Vorbeigehen, 50% freundlich und 25% mürrisch – ich rechne mit einer weiteren Absage. „Ja gerne“, meint der wiederum – lächelnd (!). „Was echt jetzt?“, frage ich ihn und bemerke sofort, dass ich meine Verwunderung definitiv zurückhalten sollte. Wir gehen in die Gasse. Ich suche irgendein Licht, das irgendwie okay sein könnte um irgendwelche Bilder hinzubekommen. Ich glaube es immer noch nicht wirklich. Anstatt mich auf all die Dinge zu konzentrieren, mit denen man ein richtig interessantes Portrait machen könnte, bin ich so erleichtert, dass ich einfach drauf los photographiere. Ich will meinen Retter nicht lange aufhalten und bedanke mich sehr oft. Tea time!

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