Früh morgens versuche ich meine Augen ans Aufsein zu gewöhnen, indem ich sie auf die Zeitung richte. Sie wandern über den Termine-Teil und bleiben beim Stichwort „Senioren“ kleben. Ich nehme anscheinend nicht mehr nur ältere Gesichter und weiße Haare selektiv wahr. Nun sind es auch Wörter, die irgendetwas mit 50+ zu tun haben. Und das ist gut so. Tatsächlich ist heute Einiges für Senioren geboten. Ich kann es mir einfach aussuchen. Was darf es sein? Nordic Walking? Yoga? Der Bridge oder der Computer Club? Ha! Nein! Natürlich sollte es Senioren Volleyball sein. Da steht sogar die Telefonnummer. Ich rufe an und laufe im Zimmer umher während es klingelt – bis zum Ende des Telefonates um genau zu sein. Es braucht etwa drei Anläufe, bis die Dame am anderen Ende versteht, was ich eigentlich möchte. Ich dachte schon voller Entsetzen die Nummer wäre falsch! Hoffentlich haben die überhaupt Lust. Ich erkläre der netten Dame am anderen Ende, was die Challenge ist und es scheint ein Problem zu geben: „Wie, Sie machen nur ein Photo? Was ist denn, wenn die anderen Herrschaften auch eins möchten? Wäre doch schade, wenn die anderen traurig wären, wenn sie kein Bild bekommen.“ „Na klar, ich kann ja auch mehr Photos machen.“ Die kommen dann halt nicht in die Challenge. „Und alle bekommen natürlich einen Abzug!“ „Na gut. Dann kommen Sie doch mal her und wir schauen, wer Lust hat.“ Das läuft ja bestens.
Als ich in der Halle ankomme, machen sich die Damen und Herren schon warm. Es ist eine illustre, gemischte und richtig fitte Runde! Ich möchte jetzt hier kein Alter nennen, da wie gesagt auch Damen anwesend waren. Da kann man’s sich schnell verscherzen durch Verschätzen. Die Challenge ist schnell erklärt und nachdem sie Ohr waren, sind sie nun bereit. Die Damen muss ich enttäuschen: Nun offiziell gilt die Herausforderung nur für Herren über 50. Die Volleyballspieler zieren sich etwas. Jeder meint, dass die anderen lieber photographiert werden sollten. „Ich photographiere einfach alle drei!“. Die Diskussion ist schnell gesettled und es geht los. Das Licht ist – wie man es in einer Turnhalle erwartet – mies. Ich muss in ISO Bereiche gehen, bei denen sich die meisten Photographen wahrscheinlich angeekelt abwenden! Einer nach dem anderen posiert bereitwillig für mich. Das ist sowas von viel besser, als in der Kälte von dutzenden von Flanierern abgewiesen zu werden. Ich hätte mir vorher nur ein paar Posen überlegen sollen. Ich sage ihnen, dass sie gerade die schweren Goldmedaillen auf ihrer Brust rausdrücken sollen. Das wirkt.
Die Bilder gefallen mir alle. Tatsächlich habe ich nun die Qual der Wahl, welches es in’s Web schafft. Noch ein bisschen Hintergrundwissen zum Portratierten. Er ist geschlagene 86 Jahre alt. Da spielt man schon einmal „bestimmt so 60 Jahre“ lang Volleyball. Cool oder? Ich unterhalte mich noch etwas mit der Mannschaft und dann ist anscheinend genug gequasselt. Es geht los. Zwei Sätze schaue ich mir natürlich noch an. Was mir besonders gut gefallen hat: Die Dame mit der ich heute morgen am Telefon sprach, teilte jedes Mal durch ein lautes „WEG!“ mit, dass sie den Ball annehmen möchte. Erinnert mich irgendwie an Schulsport. Klassiker!
Lektion gelernt: Posen überlegen. Emotionen durch Erlebnisse suggerieren.