Heute habe ich keinen Termin. Das heißt es geht des Abends wieder raus um jemanden zu finden und an Ort und Stelle anzusprechen – wie am Anfang. Nur geht es heute Abend auch schon weiter nach Köln, sodass ein wenig Zeitdruck besteht. Uncool. Ich bin in der Nähe des Möbelgeschäftes, vor dem ich schon einmal in einer Mittagspause versucht habe jemanden zu finden; damals sehr erfolglos. Da gibt es noch ein Bauhaus. Ein Bauhausmensch in Bauhausuniform und Bauhausmanier wäre bestimmt ein Zuwachs für die Portrait Serie. Leider sind die Bauhausmänner alle zu jung. Dann vielleicht ein Kunde. Ein saarbrücker Heimwerkerkeenisch. Knauber gibt es hier doch genug. Doch auch in dieser Hinsicht Fehlanzeige. Ich fühle mich auch nicht so wohl hier. Der Tag an dem ich so viele Abfuhren bekommen hatte, hat seine Spuren hinterlassen. Ich könnte versuchen hier weiter zu machen und ein durchschnittliches Bild erzwingen. Irgendwie würde mich das aber nicht zufriedenstellen. Ich muss hier weg. Eine neue Location wird neue Ideen, Mensche und Lichtsituation bringen!
Wir sind im Begriff das Gelände zu verlassen, da fällt mir auf, dass aus dem anliegenden E-Werk ein besonders großes und strahlendes Licht strömt. WIr fahren näher heran und sehen, dass dort etwas im Gange ist. Da fällt uns ein, dass dort gerade der Aufbau einer Messe im Gange ist. Das große Licht ist eine 4x6qm große Fläche aus Halogenleuchten. Super Licht. Jetzt brauchen wir nur noch einen Über50Jährigen! Wir gehen also ganz selbstverständlich in die große Halle und ich spreche einen der vielen beschäftigt aussehenden Aufbauhelfern an: „Servus! Das ist ja super Licht. Jetzt brauchen wir nur noch einen Über50Jährigen! Wo finden ich denn hier bloß jemanden über 50?“. „Watt?!“. Ich erkläre kurz um was es geht. „Hm keene Ahnung. Geh doch einfach mal rein schauen.“ Drinnen sind schon einige Leute zu finden, aber niemand scheint auch nur annähernd alt genug zu sein. Ich frage einen Mann im Blaumann und grauen Haaren: „Hallo! Sind Sie zufällig 50?“. „Was?! Äh nee. Nee bin keine Fuffzich!?“. Ich erkläre und er deutet tief in die Halle auf die Bühne am anderen Ende. „Da ist so einer mit Pferdeschwanz. Der ist über 50!“. Am anderen Ende der Halle finden ich auf der Bühne den Gemeinten und brülle zu ihm hoch: „Ja servus! Da sind Sie ja! Sie habe ich schon die ganze Zeit gesucht!“. „HÄ?!“ – total ahnungslos (verständlicher Weise). „Ja klar. Aber sind Sie denn wirklich über Fuffzich?“. „HÄ? Ähm ja. Ja bin ich. Wieso denn überhaupt?“ – natürlich immernoch ahnungslos aber weit entfernt von unfreundlich, eher neugierig. Ich erkläre. „Wie? Und jetzt soll ich noch photographiert werden oder watt?“. „Ja na klar. Also wenn Sie kurz Zeit hätten. Wäre echt total cool!“. Er kommt mit. Wir gehen wieder zurück zu der riesigen Lichtwand. Währenddeseen unterhalten wir uns ein bisschen. Er ist aus Schwerin und baut schon seit Ewigkeiten Messen wie diese auf – deutschlandweit. Das ist sein erstes „Shooting“. Er schlägt sich super und scheint richtig Spaß zu haben. Das Riesenlicht macht mir jedoch enorme Probleme die Werte richtig einzustellen. Auf dem Weg zurück zur Bühne bleiben wir noch einmal mitten in der Halle stehen und machen noch ein paar Bilder. Das könnte auch was geworden sein!
Lektion gelernt: Nie zu schnell zufrieden geben. Auf Bauchgefühl hören!